„Der Diabetes-Manager“
FAZ
Bewegung
29. November 2004 Kolumne
Amerika, du hast es schlechter
„Sorry Sir, we have no stairs, please take the elevator“, sagte mir kürzlich mit schneidiger amerikanischer Höflichkeit der Hotel-Portier in New York. Das ärgerte mich, schließlich nehme ich überall die Treppen, nicht den Aufzug (was ich auch Ihnen empfehle). „I don`t believe this“, antwortete ich. Darauf er mit milder Nachsicht: „Yes you are right, but they are only for emergency“.
Treppen, ein Fall für den Notfall – ein typisches Stück aus dem amerikanischen Alltag. Bewegung kommt da nicht vor. Als ich Joggen wollte, ging das kaum, schließlich gibt es in dem Vorort, wo mein Hotel lag, praktisch keine Bürgersteige. Die sind auch nicht notwendig, denn es läuft niemand. Und wer es tut, macht sich verdächtig. Alles fährt – mit dem Auto natürlich. In Manhattan habe ich aber tatsächlich einige Fahrradfahrer gesehen – potentielle Selbstmörder zwischen rasenden Taxifahrern, schließlich existieren natürlich keine Fahrradwege.
Bewegung findet allenfalls im Fitneß-Studio statt. Und wie sieht`s mit dem Essen aus? Scheinbar phantastisch: Nirgends habe ich so viele Erläuterungen zu den Zusammensetzungen der Nahrungsmittel gelesen, wie in Amerika. Nur, als ich in Manhattan einen Yoghurt nature suchte, mußte ich schon verzweifelt suchen, bis ich endlich einen aus der Schweiz fand. Prinzipiell dominieren fett und süß, biegen sich die Regale vor Fast Food und mikrowellengerechten Produkten.
Die Folge: Eine beispiellose Epidemie des Dickseins mit dramatischen Folgen, etwa explosionsartig ansteigenden Diabetiker-Zahlen. Doch nicht nur das Gesundheitssystem leidet unter den faulen Dicken, selbst die Fluglinien stöhnen: Dreistellige Millionenbeträge müssen die Airlines jährlich aufwenden, um den erhöhten Spritverbrauch zu kompensieren, den Übergewichtige verursachen.
Naht wenigstens Hilfe aus Europa? Mitnichten: „Furniture your stomache“, lautet ein Werbespruch von IKEA für ein 99 Cent-Frühstück. „Möblier Deinen Magen“ (klar, was anderes geht für 99 Cent im teuren New York nicht), was für eine Pervertierung der wichtigsten Mahlzeit des Tages. „Vermöbeln Sie Ihren Magen“, wäre der passendere Slogan.
Hans Lauber, 29. November 2004
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