„Der Diabetes-Manager“
FAZ
Medikamentengläubigkeit
25. November 2005 Kolumne
Bravo, Herr Hoppe!
Einen Aufschrei der Empörung hat ein Interview des Ärztepräsidenten Jörg-Dietrich Hoppe ausgelöst. Für mich völlig unverständlich. Denn er sprach endlich einmal offen aus, was die Fakten unserer Gesundheitssystems sind: „Wir haben in Deutschland eine Medikamentengläubigkeit, die stärker ausgeprägt ist als anderswo. Die Kostenübernahme von Medikamenten durch die Kassen für Patienten, die sich sozusagen selbst helfen könnten, ist aber nicht gerechtfertigt. Denn das ist originäre Eigenverantwortung. In solchen Fällen sollten die Medikamente überwiegend oder ganz vom Versicherten bezahlt werden“.
Nicht, daß ich rechthaberisch sein will. Aber genau das habe ich seit Jahren in meinem Buch „Fit wie ein Diabetiker“ gefordert. So ist es nicht einzusehen, daß ein 40jähriger mit Lifestyle-Diabetes Medikamente von der Solidargemeinschaft erhält: „Denn es gibt Patienten, die ihre Krankheit durch eine Änderung der Lebensgewohnheiten in den Griff bekommen könnten – etwa durch Bewegung“, fordert Hoppe.
Ich will Schokolade! Genau solche Betroffene, ich vermeide das Wort Kranke, habe ich aber in meinen Vorträgen oft vor mir sitzen. Feixend stehen solche Leute auf und sagen „ich werde mich nie bewegen, ich werde nie Ihre blöde Möhre essen, ich liebe Schokolade“. Der Saal klatscht dann Beifall und denkt: Der hat´s dem Lauber aber gegeben – und viele lehnen sich zufrieden zurück.
Viele, aber nicht alle. Denn gerade die über 70jährige fragen mich dann, wie sie sich bewegen können. Für die ist meine Methode aus Messen, Essen, Laufen aber gar nicht gedacht, sondern für die unter 65jährigen, die etwas tun können – damit die Medikamente für die Älteren bezahlbar bleiben, wo sich der Körper oft nicht mehr selbst gegen den „Alterszucker“ (da stimmt dann endlich die Bezeichnung, aber nicht bei 30jährigen) wehren kann.
Dicke Diabetes Kinder Geld muß für die Älteren da sein. Geld muß auch für diejenigen da sein, die sich trotz Lebensumstellung nicht vom Diabetes befreien können. Aber wir dürfen das Geld nicht weiter für die jüngeren Lifestyle-Diabetiker verplempern – und es geht um viel Geld: So errechnete eine Forschungsgruppe der Uni Köln in der aktuellen KoDIM-Studie, daß im Jahr 2001 Diabetiker in Deutschland Kosten von 59,8 Milliarden Euro verursachten – und weitere exzessive Steigerungen sind programmiert, schließlich steht die Welle der „dicken Diabetes-Kinder“ erst noch bevor.
Verschreibungspflicht für Eigenverantwortung! Angesichts solcher Fakten wundert es mich, wenn die Krankenkassen die Forderungen Hoppes empört zurückweisen und von „einer Pauschalverurteilung der Patienten“ sprechen. An sich müßten die Kassen dem Ärztepräsidenten dankbar sein, weil er ausspricht, was sie schon in Kürze selbst aussprechen müssen: Wer sich ungesund ernährt, wer nicht läuft, muß mehr zahlen. Und statt daß Medikamente verschrieben werden, gibt es schon bald eine Verschreibungspflicht für Eigenverantwortung.
Hans Lauber, 25. November 2005
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