„Der Diabetes-Manager“
FAZ
Diabetes als Chance
6. Juni 2006 Kolumne
Chance für einen insulinfreien Weg
„Warum wollen Sie ´Fit wie ein Diabetiker` drucken?“ fragte ich vor vier Jahren Manuel Ickrath. „Weil Sie der erste sind, der den Typ-2-Diabetes auch als Chance sieht“, lautete die Antwort des Geschäftsführers des Kirchheim-Verlags.
Diabetes als Chance, ein Erfolgsrezept. Das Buch zählt zu den meistverkauften Diabetes-Büchern, ich bin inzwischen Beiratsmitglied der Deutschen Diabetes-Stiftung, halte viele Vorträge, auch mit Ärzten. Und ich habe den Anstoß gegeben für die Stiftung „Chance bei Diabetes“, die von Professor Dr. med. Stephan Martin gegründet wurde.
Doch in jüngster Zeit habe ich den Eindruck, daß der Begriff Chance im Kontext mit dem Typ-2-Diabetes eine andere Dimension bekommt: „Die große Chance Insulin“, titelt etwa „Zucker“, das Magazin des Meßgeräteherstellers LifeScan. Was mir da in dem Beitrag des Diabetes-Psychologen Béla Bartus vom Stuttgarter Klinikum Olgahospital auffällt, ist daß ziemlich vorbehaltlos für einen frühen Einsatz von Insulin geworben wird.
Solche Sätze kommen mir bekannt vor. Auch mir wurde im Stadium meines manifesten Diabetes geraten, Insulin ins Kalkül zu ziehen, obwohl ich genug davon hatte, es wirkte nur nicht mehr richtig, weil ich zu dick war. Daß vielleicht auch Lebensstil-Änderungen erfolgreich sein können, kam nur am Rande vor, so wie auch bei Frau Schumm-Draeger, wo in ihrem 3-Seiten-Beitrag gerade mal 2 Zeilen für die „lifestyle“-Intervention übrig waren.
Nun weiß ich auch, daß es nicht jeder wie ich schaffen kann, seinen Lifestyle-Diabetes ohne Medikamente erfolgreich in Griff zu bekommen. Doch wenn Ärzte zu schnell zum Insulin raten, kann das die Bereitschaft massiv dämpfen, sich eigenverantwortlich um seinen Diabetes zu kümmern, ihn als Chance einer Lebensstil-Änderung zu erkennen.
„Der medikamentenfreie Weg der Lebensstil-Änderung muß beim Typ-2-Diabetes die Therapie der ersten Wahl sein“, sagt der Diabetologe Prof. Dr. med. Stephan Martin von der Deutschen Diabetes-Klinik, Düsseldorf. Eine nicht nur medizinisch, sondern auch gesundheitsökonomisch wichtige Forderung, schließlich belaufen sich die Kosten für eine derartige Therapie schnell auf 2000 Euro pro Person pro Jahr. Angesichts von demnächst zehn Millionen Betroffenen sprengen solche Summen mit Sicherheit die Finanzkraft des Systems.
„Mich ärgert die häufig frühe, übertriebene Insulinabgabe bei Typ-2-Diabetes in Deutschland“, schrieb in „Fit wie ein Diabetiker“ der Münchner Internist Professor Dr. Hans Hauner. „Insulin ist ein Masthormon und bewirkt eine Erhöhung des Gewichts von bis zu zehn Kilo – womit die Wirkung des Hormons wieder aufgehoben wird.“
Warum das Insulin trotzdem gern angepriesen wird, erklärt sich Professor Hauner so: „Die Einleitung einer Insulintherapie ist lohnender als die Erziehung zu einer Änderung des Lebensstils. Für letzteres erhält der Arzt kein Honorar“.
Hans Lauber, 6. Juni 2006
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