„Der Diabetes-Manager“
FAZ
Wechselwirkungen von Medikamenten
2. März 2007 Kolumne
Apotheker als Arzthelfer
Apotheker Dr. Hans Peter Weinschenck
Apotheker Dr. Hans Peter Weinschenck
Experten schätzen, dass mindestens 20 000 Menschen jährlich sterben (Verkehrstote: rund 6600), weil sie die falschen Medikamente, die falsche Dosierung verschrieben bekommen haben, oder weil mögliche Wechselwirkungen vom Arzt nicht beachtet wurden.
Gegen solche ärztliche Fehlverordnungen können Apotheker ein Gegengewicht bilden, erklärte mir neulich Dr. Hans Peter Weinschenck, Inhaber der Königlich privilegierten Apotheke in Satrup bei Flensburg. Der promovierte Pharmakologe hat in seiner historisch schönen Apotheke eine supermoderne Technologie aufgebaut: eine elektronische Patientenkarte.
Wie wichtig dieses Computerprogramm ist, das die Krankheitsbilder der Patienten sowie ihre Medikamentationen speichert, erläuterte mir Dr. Weinschenck anhand eindrücklicher Fälle: Da fiel ihm auf, daß eine Patientin permanent Hustenstiller kaufte – und trotzdem dauernd über einen Reizhusten klagte. Ein Blick auf die Karte genügte und der Apotheker sah, daß die Patientin gleichzeitig einen herzschützenden ACE-Hemmer nahm, der aber einen Reizhusten auslöste. Nur: Auf diese Nebenwirkung hatte sie der Arzt nicht hingewiesen. Dr. Weinschenck empfahl ein anderes Präparat, der Husten verschwandt.
Noch dramatischer der Fall einer Frau, die seit langem Tramadol-Tropfen nahm, ein morphiumähnliches Schmerzmittel, das abhängig macht. Der Apotheker schaffte es mit viel Fingerspitzengefühl, dass die Patientin ein langzeit-wirksames Retard-Präparat bekam, das sich dann sogar absetzen ließ.
Für Diabetiker ganz wichtig – und von Ärzten oft „vergessen“. Wer Betablocker nimmt, muß damit rechnen, daß gefährliche Unterzuckerungen nicht bemerkt werden, weil das Präparat die typischen Unterzuckerungszustände verschleiert.
Diplomatie ist erforderlich, die Ärzte auf solche Punkte aufmerksam zu machen. So schreibt Dr. Weinschenck (außer in akuten Notfällen) diskrete Briefe an die Ärzte – die ihre Angaben dann meist stillschweigend korrigieren. „Angesichts der Fülle der Medikamente können die Ärzte gar nicht alle Neben- und Wechselwirkungen kennen“, so Dr. Weinschenck. Er ist überzeugt, dass „die Hausapotheke so wichtig ist wie der Hausarzt, weil sie die Rolle eines unabhängigen Zweiten einnehmen kann“ – ein Punkt, der meiner Meinung in der derzeitigen Diskussion um die Rolle der Apotheken, wo es nur um die Kosten geht, viel zu kurz kommt.
Ob nun jede der vielen Apotheken diese Rolle derart umfassend einnehmen kann, daran sind sicher Zweifel angebracht. Aber bei Apotheken wie der Königlichen in Satrup, die mit 2200 eingeschriebenen Patienten einen großen Teil ihrer Kunden elektronisch erfasst hat, gibt dieses Korrektiv durchaus Sinn, „wenn Arzt und Apotheker auf Augenhöhe miteinander kommunizieren“, so Weinschenck. Etwas, was bei uns vielen unserer Weißkittel im Gegensatz zu angelsächischen Ländern immer noch schwerfällt.
Dass auch der „doppelte Boden“ durch die Apotheke keine 100prozentige Sicherheit bietet, weiß auch Dr. Weinschenck. „Voller Schreck habe ich kürzlich nach dem Urlaub festgestellt, dass einer Mitarbeiterin eine falsche Verordnung nicht aufgefallen ist. Gottseidank war noch nichts passiert“.
Auch gute Computer sind halt dann am besten, wenn sie von klugen Menschen bedient werden.
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