„Der Diabetes-Manager“
FAZ
Hoppla statt Handwerk
12. April 2007 Kolumne
Die mittelbürgerliche Küche
Einladend: Traditiongasthaus „Zur Post“ in Söllhuben
Einladend: Traditiongasthaus „Zur Post“ in Söllhuben
Die „Post“ in Söllhuben hat alles, was ein gutes Gasthaus braucht: Sie liegt mitten im Dorf, sie hat wunderschöne Gasträume, einen freundlichen Service, eine eigene Metzgerei. Beste Voraussetzungen also für die immer dringender gesuchte „gut bürgerliche Küche“. Doch es reicht nur zu einer „mittelbürgerlichen Küche“ in dem Dorf, das idyllisch zwischen dem Chiemsee und Rosenheim liegt.
Dabei ist der Auftakt verheißungsvoll: Eine kräftige, selbst gekochte Rindsbrühe, die richtig nach Fleisch schmeckt. Darin schwimmen zwei „Bratnockerln“, eine Art Brät, etwas fest, aber sehr schmackhaft.
Gemischt dann der Eindruck bei den beiden Hauptgerichten, die wir bestellt hatten: Ordentlich die Rinderroulade, ein auf der Zunge zergehendes Vergnügen der Sauerbraten, der tatsächlich sauer eingelegt war. Doch das Vergnügen zerstörte eine dieser dickmachenden Fertig-Pampsaucen. Sie war auch noch dieselbe an beiden Gerichten, nivellierte so zusätzlich den Eigengeschmack der beiden Fleischsorten. Dabei wäre es ein leichtes gewesen, etwa den jeweiligen Bratensaft mit ein wenig Créme fraiche, einem Schuß Wein zu binden.
Durchwachsen auch die Beilagen: Wenn wohl auch nicht selbstgemacht, so doch gut der Knödel. Keine Offenbarung die Salzkartoffeln, und das im Land der tollen Kartoffelsorten. Es gab auch Gemüse, einmal als lieblos angemachter Salat mit Bohnen aus dem Glas. Und als sehr mundendes Rotkraut, wohl selbst gemacht, wenn nur der Koch nicht eine halbe Zuckerdose darin versenkt hätte.
Der Koch? Ich weiß nicht, wer da kocht. Sicher keiner, der das ehrbare Handwerk des Küchenmeisters gelernt hat. Denn der müßte ja wissen, wie handwerklich korrekte Salat- und Fleischsaucen gehen, müßte wissen, wie nicht bloß „Hoppla“ zu kochen ist, daß neben Sättigung auch so etwas wie Genuß und Gesundheit zu ihrem Recht kommen.
Was das Ganze so traurig macht: Die „Post“ in Söllhuben hat eine der schönsten Wirtsstuben Deutschlands, hat eine herrliche Sammlung alter Bierkrüge, hat Türen mit Schlössern, die es sonst nur im Museum gibt, hat überaus freundliche Bedienungen, die flott die Speisen bringen. Sicher, das Ganze ist auch nicht teuer, die Suppe für 2,90 Euro, die Hauptgerichte für 9,50 Euro (die 10 Euro sind wohl die magische Grenze).
Überaus preiswert auch die dazugehörige Metzgerei: Keine sechs Euro kosteten die rund 700 Gramm von der Rindernuß. Nur, sie war nicht abgehangen, spritzte Blut und Wasser in der Pfanne, war auch nach drei Stunden nicht weich zu kriegen.
Nur: Söllhuben ist überall. Überall ist die sogenannte gut bürgerliche Küche keine wirkliche Alternative zu den Fast Food-Ketten. Wer gut bürgerliche Gerichte gut essen will, muß zu Spitzenköchen wie Karl Ederer in München gehen, muß zu Hermann Bareiss in den Schwarzwald fahren, um dort in der „Dorfstube“ endlich einen authentischen Wurststalat zu bekommen. Oder in die „Zirbelstube“ nach Bad Mergentheim, wo Hubert Retzbach die beste Regionalküche Deutschlands kocht.
Doch das kann nicht die Lösung sein: Wir brauchen im Land der Übergewichtigen und der dicken Kinder eine breit aufgestellte Küche, die aus einheimischen und saisonalen Produkten zu vernünftigen (nicht billigsten) Preisen ordentliche, auch die Gesundheit berücksichtigende Gerichte auf den Tisch bringt. Dazu gehört aber auch eine Gastrokritik, die nicht erst den Bewertungsstift zückt, wenn irgendwo eine Jakobsmuschel aus der Speisekarte lugt, sondern auch einmal eine ehrliche Küche zu würdigen weiß.
Natürlich werde ich wieder in der „Post“ einkehren, allein der schönen Räume wegen. Aber die mittelbürgerliche Küche werde ich ignorieren, nur das gute Weißbier trinken.
Authentisch: Die Wirtsstube mit blanken Tischen und Bänken
Authentisch: Die Wirtsstube mit blanken Tischen und Bänken
Beeindruckend: Die Sammlung alter Bierkrüge mit Trinksprüchen
Beeindruckend: Die Sammlung alter Bierkrüge mit Trinksprüchen
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