„Der Diabetes-Manager“
FAZ
documenta-Koch Ferran Adria
14. Juni 2007 Kolumne
Köche zu Schaumschlägern
Keine Gasfabrik: El Bulli von hinten
Keine Gasfabrik: El Bulli von hinten
Ein Star ist der Ferran Adria ja schon lange. Doch seit er nun als erster Koch der Welt Teilnehmer des Kunstgroßereignisses documenta geworden ist, steht er im Status eines Superstars.
Berühmt geworden ist der Besitzer des Restaurants El Bulli, das in einer lauschigen Bucht an der Costa Brava liegt, mit einer Küche, die alles radikal anders macht: Die Zutaten sind bloßes Ausgangsmaterial für waghalsige Experimente. Da wird gehäckselt, pulverisiert, mit Stickstoff tiefgekühlt, mit chemischen Substanzen stabilisiert. Die Gäste aus der ganzen Welt, die sich um die Plätze reißen, essen Lollys, schnüffeln papierähnliche Blätter, versuchen in den allgegenwärtigen Schäumen Geschmacksnoten zu entdecken. Da sieht dann eine biedere Tomate aus wie eine geschlauchte Gurke und schmeckt wie eine explodierende Eisbombe. So, what! Oder um es mit Brecht zu formulieren, der schon um 1920 gesagt hat: „Ihr werdet die Früchte an ihrem Geschmack nicht mehr erkennen“.
Als eine „Ausweitung des sensorischen Spektrums“ preisen die Jünger des Katalanen seine Küche, als besten Koch der Welt handeln ihn die Essensführer. Mir kommt das Ganze dagegen eher vor wie eine Mischung aus Kindergeburtstag, Volkshochschule und Eventgetue. Zu hart? Nicht ganz, schließlich war ich bei einem anderen hochgejubelten Vertreter des Kochzirkusses, bei Marc Veyrat am schönen Lac d ´Annecy. Auch hier wabern die Stickstoffdämpfe, auch hier versuchen verzweifelte Gäste in den Schaumbergen Aromen zu erschnüffeln. Das Essen hatte ich am nächsten Tag schon vergessen, geblieben ist mir die Erinnerung an die 400-Euro-Rechnung (ohne Wein!) und den schlapphütigen Veyrat, der zum Schluß sonnenbebrillt grinsend durchs Lokal stolziert.
Nun ist im Prinzip nichts dagegen einzuwenden, wenn übersättigte Gourmets nach neuen Gaumenreizen lechzen. Bedenklich wird die Sache aber gerade bei Ferran Adria aus zwei Gründen: Zum einen propagiert er gewollt oder ungewollt den Baukasten der Lebensmittelzusätze (sogenannte E-Stoffe) wie Titanoxid, Sorbinsäure, Thiabendzol. Damit öffnet er die Spitzenküche für die Methoden der industriellen Lebensmittelproduktion – etwas, das wir zuletzt brauchen. Auch habe ich in keiner der vielen Besprechungen etwas darüber gelesen, ob seine Chemieküche nun besonders schonend zu Vitaminen, Spurenelementen, lebenswichtigen Eiweißen ist. Aber wahrscheinlich interessieren solch essentielle Fragen wie gesundes Essen in diesem Kontext überhaupt nicht.
Zum zweiten befürchte ich nun eine Welle von Epigonen über uns schwappen. Wahrscheinlich wird demnächst bei Kerner der berüchtigte Kölner Kochclown Licher seine Kollegen mit flüssigem Stickstoff traktieren. Auch dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn nicht demnächst eine Armada von eh schon verunsicherten Hobbyköchen sich nun auch noch mit dieser als letzten Schrei beschriebenen Küche versuchen würde – anstatt endlich einmal zu lernen, wie ein ordentlicher frischer Kartoffelsalat geht, oder wie sich ein perfektes Wiener Schnitzel zubereiten lässt.
Einmal habe ich mich ausführlich mit Ferran Adria unterhalten. Der ist im persönlichen Gespräch ein eher scheuer Mensch, sehr aufmerksam, sehr freundlich. Persönlich isst er bevorzugt den wunderbaren iberischen Schinken, und den am liebsten mit den Händen. Das verkörpert er: Einen zufriedenen Genießer. Wie einer, der den eigenen exaltierten Schnickschnack goutiert, sieht er jedenfalls nicht aus.
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