„Der Diabetes-Manager“
FAZ
Krankmachmonster Gesundheitsfond
15. Oktober 2008 Kolumne
Sind die Kassen krank?
Kein Kassen-Liebling: Lauber
Kein Kassen-Liebling: Lauber
Diesen Eindruck musste ich nach einem langen Gespräch mit einem renommierten Diabetologen gewinnen: „Ganze Abteilungen in allen Krankenkassen versuchen fieberhaft, Gesunde als Kranke zu deklarieren. Demnächst gibt es keine Gesunden mehr“. In der Tat ein krankes System, aber sind die Kassen alleine schuld?
Die hektischen Aktivitäten stehen im Zusammenhang mit der Einführung des Gesundheitsfonds, über den der „Stern“ schreibt: „Der große Pfusch“. Dieser Fonds, ein bürokratisches Monster, das ständig teurer wird, beschleunigt eine unheilvolle Entwicklung, die ich seit langem beobachte: Prävention ist nicht gewünscht, hat höchstens eine Feigenblattfunktion zur Gewinnung neuer Mitglieder oder um den Bestehenden Goodies zu geben. Kopfschüttelnd berichtet mir der Professor von einer fitten Mitarbeiterin, der ihre Krankenkasse anstandslos einen Yoga-Kurs bezahlte: „Das ist die völlig falsche Klientel“, empört sich der Diabetologe. Rund 200 Millionen Euro werden so jährlich verplempert. Geld, das für wirklich wichtige Dinge fehlt, wie etwa präventive Blutzuckerteststreifen.
Prävention hat auch deshalb keine Chancen, weil es für die einzelnen Kassen nur dann Geld aus den Ausgleichsmechanismen wie dem Risikostrukturausgleich gibt, wenn sie chronisch Kranke, etwa Diabetiker, haben. Deshalb die von dem Diabetologen geschilderte hektische Suche nach Kranken, die allerdings auch wieder nicht zu krank sein dürfen, sozusagen „gesunde Kranke“. Lesern von „Fit wie ein Diabetiker“ ist dieser Zusammenhang längst bekannt. Dort zitiere ich den Chef einer Krankenkasse mit den Worten „aus der Logik des Systems heraus bekommt die Kasse kein Geld mehr, wenn die Krankheit überwunden ist“. Weshalb niemand Gesunde brauchen kann. Und weshalb niemand den Lauber mit seiner gesundmachenden Motivations-Methode brauchen kann – etwas, was mir meine Leser („die Kassen müssten doch Ihr wichtigster Verbündeter sein“) nie glauben wollen.
Sind die Kassen also krank? Nicht allein, das System ist krank. Denn das System setzt systematisch die falschen Anreize. Den Kassen, vor allem den an sich präventiven IKKs, TKs und BKKs werfe ich aber vor, dass sie sich nicht gegen diese perverse Logik wehren. Denn Fehlanreize, das hat das Finanzdesaster gezeigt, führen zu völlig schiefen Verhältnissen, die irgendwann explodieren. Im Finanzsystem haben die Fehlanreize aus zu billigem Geld und der Möglichkeit, damit scheinbar aus dem Nichts Werte zu schaffen, zur Implosion des Systems geführt.
Im Gesundheitssystem wird es in einigen Jahren eine ähnliche Entwicklung geben: Da wird der Zusammenbruch des Systems dann nur noch eine Kasse übriglassen, eine Art Super-AOK. Wer darüber nicht traurig sein wird, steht auch schon fest: Es ist Ulla Schmidt.
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